Viele Kinder mit Herzfehler werden dank moderner Medizin gerettet. Aber beim Erwachsenwerden treten Betreuungslücken auf. Wer hilft dann?


An die Angst ihrer Eltern kann sie sich erinnern, an die eigene nicht. „Ich nahm die Sache locker”, sagt Wiebke Frey und meint ihre erste Herzoperation. Fünf Jahre war sie alt. Zu klein, um die Situation zu verstehen. Die Eltern wussten: Es ging um das Leben ihrer Tochter. Nach neun Operationen hatte das Herz eine zweite Kammer.

Genau genommen ging und geht es um Wiebke Freys Herz – und dessen schweren Defekt. Gesunde Herzen besitzen zwei getrennte Kammern: Über die eine wird der Lungenkreislauf mit Blut versorgt, über die andere der Körperkreislauf. Wiebkes Herz hatte nur eine Kammer, die beide Aufgaben übernehmen musste. Die Folge: Sauerstoffarmes und -reiches Blut vermischen sich ständig, in den Körperkreislauf gelangt zu wenig Sauerstoff. Die moderne Herzchirurgie konnte Wiebke helfen: Neun Mal wurde sie bis zu ihrem 18. Geburtstag operiert, die Spezialisten zogen eine Wand ein und machten so aus einer Kammer zwei getrennte.

Der Erfolg der Chirurgen ist offensichtlich. Auch wenn Wiebke Frey täglich Tabletten einnehmen und regelmäßig zu Kontroll-Untersuchungen gehen muss, kann die Diplom-Sozialarbeiterin von sich behaupten: „Ich bin voll alltagstauglich.” Obwohl die junge Frau 29 Jahre alt ist, wurde sie lange Zeit hauptsächlich von Kinderkardiologen betreut. Die kennen sich mit angeborenen Herzfehlern am besten aus. Weniger vertraut sind sie jedoch mit den Herz-Kreislauf-Problemen, die im Lauf des Lebens hinzukommen – die gehören zum Repertoire von Erwachsenenkardiologen. So befinden sich Patienten wie Wiebke Frey im Niemandsland zwischen den Spezialisten. „Für die richtige Betreuung ist deshalb eine gute Kooperation nötig”, meint Professor Harald Kaemmerer vom Deutschen Herzzentrum München, wo in einer speziellen Ambulanz für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern jedes Jahr 2000 Patienten versorgt werden. Nur die wenigsten Defekte werden endgültig beseitigt „Die medizinische Versorgung für diese Patientengruppe ist viel besser geworden”, sagt Professor Kaemmerer. Doch immer noch lassen sich angeborene Herzfehler nur bei verhältnismäßig einfachen Defekten endgültig beheben; die übrigen Patienten sind ihr Leben lang auf Betreuung angewiesen.

Die Liste möglicher Folgeerkrankungen ist lang: Herzschwäche, Rhythmusstörungen, plötzlicher Herztod, Entzündungen der Herzinnenhaut oder Erkrankungen der Lungenblutgefäße. Zudem steht das umfassende Wissen über Operations- und Katheter-Verfahren, mögliche Spätfolgen und neue Therapiemöglichkeiten bisher nur in großen Herzzentren zur Verfügung. Doch davon gibt es in Deutschland nur wenige, etwa in Berlin, Aachen, Bad Oeynhausen und auch in München. Ein Zentrum für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern.

Das reicht nicht angesichts von mehr als 120000 Betroffenen in Deutschland, zu denen jedes Jahr 6500 hinzukommen, findet Karla Völlm. Die Mutter einer erwachsenen Tochter mit angeborenem Herzfehler hat deshalb eine Fördergemeinschaft ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist die Gründung eines Zentrums für -Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern an der Universität Münster. Als Vorsitzende der Fördergemeinschaft kämpft Völlm seit einem Jahr um die nötigen Gelder. Inzwischen ist wenigstens die Finanzierung von mehreren Arztstellen für fünf Jahre in Aussicht gestellt, und es wurden Räume im Gebäude der Uniklinik gefunden. Trotzdem wird es bis zur Eröffnung des Zentrums noch einige Zeit dauern – zu viel Geld fehlt noch.

Wiebke Frey wird also weiter zwischen den Spezialisten hin und her pendeln und einmal im Jahr zur Kontrolle ins Deutsche Herzzentrum nach München reisen – in die Ambulanz zu Professor Kaemmerer. „Da bin ich mir sicher, dass man sich mit meinem Problem auskennt.”

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